Am Weltseniorentag (1.10.2025) dachten viele an Ruhe, Rückzug und Kaffeekränzchen – Virginia “Ginny” MacColl denkt an Klimmzüge, Hindernisse und Wettkämpfe. Mit 73 Jahren ist sie die älteste Frau, die je bei American Ninja Warrior ein Hindernis erfolgreich absolviert hat. Ihr Weg dorthin beweist: Es ist nie zu spät, sich neue Ziele zu setzen und über sich hinauszuwachsen. Inspirieren ließ sie sich vor Jahren von ihrer Tochter Jessie Graff. Mittlerweile ist Ginny MacColl Fitness-Influencerin mit über 130.000 Instagram-Followern. Stellt sich jetzt die Frage: Wer bei den 3. Österreichischen Meisterschaften by SPORTUNION (8./9.11.2025) wohl am besten zeigen wird, dass Fitness keine Frage des Alters ist?
Während andere in Rente gehen, sprinten sie noch über Ziellinien, stemmen Gewichte oder tanzen auf dem Siegerpodest. Altersgrenze? Für manche Athletinnen und Athleten offenbar nur eine Zahl auf dem Pass – und selbst die ignorieren sie gerne. Gerade erfahrene Sportler:innen profitieren in technischen und ausdauerbasierten Disziplinen von ihrer langjährigen Routine. Studien belegen, dass gezieltes Training den altersbedingten Muskelabbau und Leistungsrückgang erheblich verlangsamen kann. Zahlreiche Athletinnen und Athleten beweisen, dass sportliche Höchstleistungen in jedem Alter möglich sind: Turner Johanna Quaas brillierte mit 70 Jahren, Fauja Singh absolvierte mit 100 Jahren einen Marathon, und Edith Murway-Traina stellte im gleichen Alter Weltrekorde im Gewichtheben auf. Auch Ed Whitlock lief mit 73 Jahren den Marathon in unter drei Stunden, während Sprinterin Merlene Ottey noch mit 52 Jahren an Wettkämpfen teilnahm und mit 40 eine Olympiamedaille gewann.
Alter und Erfahrung sollten kein Hindernis sein – sie sind Teil der Reise. Man kann mit 63 oder später anfangen
Keine Grenzen im Alter
Im Ninja-Sport ist es vor allem Ginny MacColl, die bewiesen hat, dass Alter keine Grenze für körperliche Fitness und neue Herausforderungen ist. Geboren am 31. Oktober 1951, begann sie ihre Karriere als Tänzerin und trat sogar am Broadway in der Produktion Pippin auf. Sie spielte in Filmen mit, darunter Poms (2019) an der Seite von Diane Keaton. Zusätzlich dazu war sie in zahlreichen Werbespots zu sehen, bevor sie sich eine längere Auszeit nahm, um ihre Familie zu unterstützen. “Ich kam in dieses goldene Alter – Mutter und Hausfrau.” Die entscheidende Wendung in ihrem Leben kam, als sie sich von ihrer Tochter Jessie Graff faszinieren ließ, einer bekannten Teilnehmerin von American Ninja Warrior. Ginny: “Ich war immer inspiriert von Jessies Arbeitsmoral, ihrer Entschlossenheit und Ausdauer. Ich sah, wie stark sie geworden war – und ich dachte: Ich will auch stärker werden. Sie sagte: Mach Klimmzüge!”
In den 60er-Jahren haben Frauen kein Krafttraining gemacht – das galt als unweiblich. Ich bin froh, dass sich das geändert hat
Vom Broadway zur Ninja-Warrior-Heldin
Erst mit 63 Jahren begann Ginny ernsthaft mit Krafttraining. Ein weiterer Auslöser dafür? In ihren 60ern wurde bei ihr Osteopenie diagnostiziert – eine Vorstufe von Osteoporose. Auf Anraten ihres Arztes begann sie mit dem Training, obwohl sie zuvor nie in einem Fitnessstudio gewesen war. “Ich erinnere mich gern an die ganzen kreativen Dinge, die wir (sie mit Tochter Jessie; Anm.) gemacht haben – zum Beispiel mit einem Vorschlaghammer auf einen Reifen einschlagen – das war auch ein guter Aggressionsabbau.” Zwei Jahre später schaffte sie ihren ersten Klimmzug (“Jetzt schaffe ich siebzehn”) – ein Meilenstein, der sie weiter motivierte. Mittlerweile hat sie ihr Haus in ein Fitnessstudio umgewandelt: Von den Metallverstrebungen an der Küchendecke hängt sie einarmig ab, um mit der anderen Hand ihr Lunch zu kochen. In den meisten Türdurchgängen sind Klimmzugstangen montiert.
Ninja-Premiere mit 65 Jahren
Ihr Ehrgeiz zahlte sich aus: Mit 65 Jahren begann Ginny, an Ninja-Wettkämpfen teilzunehmen. In den Staffeln 9, 10, 15 und 17 (2017, 2018, 2023, 2025) von “American Ninja Warrior” bewältigte sie mit beeindruckender Willenskraft den anspruchsvollen Hindernisparcours. Ein weiteres Goodie der Umstellung ihres Lebensstils: “Durch das Gewichtheben habe ich kürzlich einen Knochendichtetest gemacht – und meine Knochendichte hat sich deutlich verbessert. Ich war völlig überrascht.” Damit nicht genug: Neben ihrer Ninja-Warrior-Karriere ist Ginny MacColl auch eine erfolgreiche Wettkampfschwimmerin und nimmt an nationalen Wettbewerben teil. Bei den National Senior Games gewann sie mehrere Medaillen. Sie trainiert sechs Tage die Woche, wobei sie Krafttraining, Hindernisparcours, Schwimmen sowie Mobilitäts- und Gleichgewichtsübungen kombiniert.
Ich gehe jedes Hindernis in kleinen Schritten an. Ich versuche immer, die Messlatte ein kleines Stück höher zu legen. Ich komme jedes Mal ein Stück weiter – und das macht einen stärker
Ginny MacColl und Jessie Graff schreiben Ninja-Geschichte
Auch ein Platz in den Rekordbüchern ist ihr sicher: Am 29. Januar 2022 trat sie im Alter von 70 Jahren und 90 Tagen als älteste weibliche Wettkampf-Ninja-Athletin an. “Ein Guinness-Weltrekord, der Respekt verdient”, so Pam Forster, Organisatorin der 3. Österreichischen Ninja-Meisterschaft by SPORTUNION. Doch damit nicht genug: Zusammen mit ihrer Tochter, der bekannten Stuntfrau und Ninja-Warrior-Athletin Jessie Graff, stellte sie am 26. November 2022 in Santa Monica einen weiteren Rekord auf. Die beiden überquerten synchron hängende Ringe über eine Distanz von 43,89 Metern – ein weiterer Guinness-Weltrekord in der Kategorie „größte Distanz beim synchronisierten Überqueren hängender Ringe durch ein weibliches Duo“. Bereits zuvor erzielten sie gemeinsam den Rekord für die meisten aufeinanderfolgenden Tandem-Klimmzüge (weiblich), mit insgesamt 14 Wiederholungen.
Stärke kennt kein Alter – und ich glaube das wirklich. Ich bin der lebende Beweis, dass man in jedem Alter stärker werden kann
Ginny MacColl im WordRap über …
… meinen Alltag.
Ich bin in einem Schwimmclub und trainiere dort drei Mal pro Woche für je eine Stunde – das hat meine Ausdauer gestärkt und ist super für das Herz. Zweimal pro Woche trainiere ich Ninja-Hindernisse bei meinem Freund, zweimal gehe ich zum Personal Trainer, und zweimal mache ich Yoga.
… meinen ersten Klimmzug.
In den 60er-Jahren haben Frauen kein Krafttraining gemacht – das galt als unweiblich. Deshalb hatte ich mein ganzes Leben lang keine Gewichte gehoben, aus Angst, ‘massig’ zu werden. Ich bin froh, dass sich das geändert hat. Mit 63 habe ich meinen allerersten Klimmzug gemacht. Es hat drei Jahre gedauert, bis ich zehn Klimmzüge geschafft habe – und es ist immer noch hart. Ich merke, dass ich die meiste Kraft aus dem letzten Klimmzug hole – weil ich nicht aufgebe.
… mein Lebensmotto.
Stärke kennt kein Alter – und ich glaube das wirklich. Ich bin der lebende Beweis, dass man in jedem Alter stärker werden kann. Alter und Erfahrung sollten kein Hindernis sein – sie sind Teil der Reise. Man kann mit 63 oder später anfangen.
… mein erstes Ninja-Workout.
Ein Nachbar, der bei der Show war, hatte in seinem Garten Hindernisse gebaut, da es kein Ninja-Gym in der Nähe gibt. Ich war fasziniert von den „Quintuple Steps“, fünf schräge Stufen, über die man rennt, dann an ein Seil springt und sich zu einer Plattform schwingt. Die Athleten ließen es einfach aussehen. Ich probierte es bei meinem Freund… aber schon bei der ersten Schräge dachte ich, ich breche mir den Knöchel! Wir arbeiteten uns langsam ran – zuerst waren die Stufen näher zusammen, dann weiter auseinander. Als ich das schaffte, war das ein unglaubliches Erfolgserlebnis! Ich hatte etwas geschafft, das unmöglich erschien – und war süchtig.
Alter und Erfahrung sollten kein Hindernis sein – sie sind Teil der Reise
… mein erstes Mal bei American Ninja Warrior.
Es war nie ein Gedanke in meinem Kopf, bei American Ninja Warrior mitzumachen, aber ich wurde von meiner Tochter inspiriert. Sie sah so anmutig, gesund und stark aus, und ich wollte stärker werden. Eins führte zum anderen, und ehe ich mich versah, war ich in der Show!
… meine Höhenangst.
Es hat lange gedauert, bis ich mich an Seilklettern getraut habe. Ich weiß nicht, ob man das je ganz überwindet, aber ich habe gelernt: Nie nach unten schauen – konzentriere dich nur auf das Seil vor dir. Mein höchster Aufstieg war 20 Meter! Ich lasse keine negativen Gedanken zu. Dein Glaube an dich selbst muss größer sein als deine Angst. Wenn man vor einem ANW-Kurs steht, mit Hindernissen, die man nie geübt hat, unter Beobachtung von hunderten Menschen, Kameras, Lichtern, Nachtdreh, Wasser unter einem – das ist einschüchternd. Aber manchmal muss man sich einfach sagen: Dafür hast du trainiert!
Muskeln altern nicht – solange man sie benutzt
… Fitness und Leistung im Alter.
Ich würde mir wünschen, dass Frauen sich weniger auf Diäten und Aussehen konzentrieren und mehr auf Kraft und Gesundheit. Das bringt automatisch auch gesünderes Essen mit sich. Die gesundheitlichen Vorteile sind enorm. Nach zwei Jahren Krafttraining konnte ich meine Knochendichte von Osteopenie (Vorstufe zur Osteoporose) wieder auf Normalniveau bringen. Und Muskeln altern nicht – solange man sie benutzt. Der Durchschnittsmensch verliert bis zum 60. Lebensjahr 30 % Muskelmasse, bis 70 sogar 50 %! Wir müssen dem Alterungsprozess aktiv entgegenwirken. Mit Bewegung können wir Knochen stärken, Gleichgewicht und Koordination verbessern, den Stoffwechsel ankurbeln, Körperfett reduzieren – und es ist gut fürs Gehirn.